Quelle: 17:13 02/12/2011 Konstantin Bogdanow, RIA Novosti Neuer Schutzschild für Russland: Luft- und Weltraumabwehr gebildet
In Russland ist am 1. Dezember eine neue Waffengattung – die Luft- und Weltraumabwehr – in Dienst gestellt worden.
Im Auftrag des Präsidenten Dmitri Medwedew wurden Truppenteile und Systeme zusammengelegt, die bis zuletzt separat dafür gesorgt haben, dass der russische Luftraum gut geschützt ist.
Von der Erde bis zum Weltraum
Die Luft- und Weltraumabwehr wurde auf Basis der Weltraumtruppen gegründet. Sie besteht aus folgenden Komponenten:
- Raketenangriffs-Frühwarnsystem - Weltraumüberwachungssystem - Infrastruktur für militärische Weltraumstarts - Fla-Raketenkräfte der Luftwaffe - Vereinigtes Strategisches Kommando der Luft- und Weltraumabwehr (war zuvor auf der Basis des Moskauer Raketenabwehrsystems gebildet worden)
Innerhalb der Waffengattung gibt es drei Richtungen: das Weltraumkommando, das Luft- und Raketenabwehrkommando und den militärischen Weltraumbahnhof Plessezk.
Damit laufen innerhalb des gemeinsamen Steuerungssystems sämtliche Informationen in Bezug auf mögliche Luft- bzw. Raumangriffe sowie und auf die entsprechenden Abfangwaffen .
Unter Kontrolle der Luft- und Weltraumabwehr sind Radaranlagen der Luftabwehr, Frühwarnradare und orbitale Nachrichtenobjekte (sowohl boden- als auch satellitengestützte) geraten. Der neuen Waffengattung gehören sehr unterschiedliche Systeme wie die mit S300-Raketen ausgerüsteten Luft- und Raumabwehr-Brigaden und das Moskauer Raketenabwehrsystem, das über silogestützte Abfangraketen und Interkontinentalraketen verfügt.
Buntes Erbe
Die Bildung der Luft- und Weltraumabwehrtruppen ist im Grunde ein neuer Versuch, das sowjetische Erbe auf gegenseitig abhängigen Gebieten wie Raketenabwehr, Luftabwehr, Frühwarnsysteme, Weltraumkontrollanlagen sowie die allgemeine militärische Weltraum-Infrastruktur möglichst effizient zu nutzen.
Alle diese Waffen wurden einst separat entwickelt und ergänzten sich gegenseitig. Dabei waren viele Elemente der sowjetischen Luftraumabwehr einzigartig, andere Länder hatten keine Rüstungen dieser Art. Für die Vorbeugung von aus dem Weltraum kommenden Gefahren war ein großer Komplex von unterschiedlichsten Waffen vorgesehen. Das Entwicklungskonzept der Streitkräfte ist heute anders gestaltet. Kurz und knapp lässt es sich wie folgt zusammenfassen: Russland muss seine Ausgaben reduzieren und entwickelt ein universales Waffeneinsatzsystem. Bei vielen Experten ist dieser Kurs jedoch umstritten.
Ausgerechnet deswegen betont das russische Militärkommando, dass die Waffen, die nicht modernisiert werden müssen (beispielsweise das Raketenabwehrsystem des Moskauer Industriegebiets A-135), mit den neuen Rüstungen bzw. neuer Informationstechnik kompatibel sein müssen, die die Luft- und Weltraumabwehrkräfte in den kommenden Jahren erhalten.
Wie dieses Ziel erreicht werden könnte, ist eine andere Frage. So ließen sich in letzter Zeit viele Aufrufe zur Integration verschiedener automatischer Waffensteuerungssysteme hören. Dann stellte sich jedoch heraus, dass zwei Computer bedient werden mussten, die mit zwei verschiedenen Systemen, aber nicht miteinander verknüpft waren und keine Daten austauschen konnten.
Man muss also kein Hellseher sein, um zu verstehen, dass den Entwicklern der künftigen mobilen Luft- und Weltraumabwehrkomplexen die schwierige Aufgabe bevorsteht, die alten und neuen Waffen zu synchronisieren.
Waffen: vorhandene und künftige
Im Rahmen des staatlichen Rüstungsprogramms sollen die russischen Streitkräfte bis 2020 insgesamt 56 Fla-Raketen-Divisionen S-400 erhalten (vier Divisionen stehen ihnen bereits zur Verfügung, zwei bis vier weitere sollen bis zum Jahreswechsel bereitgestellt werden). Außerdem sind zehn S-500-Systeme für sie eingeplant, deren Entwicklung erst begonnen hat.
Das letzte Modell wird voraussichtlich die wichtigste Waffe der Luft- und Weltraumabwehr werden. Laut den Militärs wird das S-55-Modell Raketen außerhalb der Erdatmosphäre abfangen können. Die Armee soll nach 2015 damit ausgerüstet werden.
Bis dahin soll auch ein neues Radarmodell entwickelt werden, das eine vervollkommnete und mobile Modifikation des Woronesch-Typs ist. Es wäre logisch, beide Komponenten (S-55 und das Radarsystem Mars) parallel als Kampfwaffe und Informationsanlage des einheitlichen Raketenabwehrsystems zu entwickeln.
In der russischen Luftabwehr ist eine merkwürdige Situation entstanden: Nachdem in den 1970er Jahren keine Mehrzweckplattform für verschiedene Typen (Luftabwehr als eigenständige Waffengattung, Luftabwehr für Landtruppen und Flotte) entwickelt werden konnte, musste die Entwicklung aller drei Plattformen in Angriff genommen werden, wobei sie aber „maximal unifiziert“ werden sollten. (Das wurde formell erreicht, vor allem wegen der prinzipiell unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Waffengattungen.)
Damit müssen die Luftabwehrkräfte heute zwischen zwei unterschiedlichen nach der Architektur, aber ähnlichen in Bezug auf den Zweck universalen Fla-Systemen wählen. Das sind das S-400-Modell, im Grunde die modernisierte Modifikation des Anti-Flugzeug-Modells S-300P, das aber ballistische Raketen abfangen kann, sowie die S-300VM/VMD Antej-2500, die modernisierte Anti-Raketen-Rakete S300V. Angesichts der Aufgabe zur Unifizierung der Raketenabwehr müssen beide Projekte weiter entwickelt und trotz aller Unterschiede aneinander angepasst werden.
Laut den jüngsten Plänen sollen in die neue Luft- und Weltraumabwehr nur die S-400 und das Modell Witjas aufgenommen werden, die nächste Generation der Mittelstreckenraketen, die die alten S-300P-Raketen ablösen sollen. Konkrete Pläne zur Entwicklung von schweren Abfangraketen wurden noch nicht bekannt gegeben, aber für die Zukunft kommt offenbar die Modernisierung der S-300V-Raketen infrage (die neue Version soll den Namen S-300V4 tragen).
Einerseits spricht vieles dafür, dass die Integration der russischen Raketenabwehrsysteme bei gleichzeitigem Sparzwang sich erst im Anfangsstadium befindet.
Andererseits müssen die Militärs angesichts der für die Umrüstung vorgesehenen Ausgaben von 20 Billionen Rubel (1 Euro=42 Rubel) und der permanenten Auseinandersetzungen in der heimischen Rüstungsindustrie geradlinig vorgehen.
Im Moment ist es kaum voraussagbar, inwieweit die Erfahrungen des Betriebs Almaz-Antej bei der Entwicklung des S-500-Modells nützlich sein werden. Die bisherigen Aussagen der russischen Militärführung zeugen davon, dass diesem Büro die Entwicklung der einheitlichen Plattform für die künftige Luft- und Weltraumabwehr anvertraut wird.
Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.