Russische Offiziere können demnächst freiwillig ihre Dienstzeit um fünf Jahre verlängern.
Das Verteidigungsministerium hat offenbar den Umfang seines Personalkahlschlags eingesehen und einen Gesetzentwurf zur Anhebung des Pensionsalters vorbereitet. Die Streitkräfte brauchen dringend erfahrene Führungskräfte, die wegen der Reformen in den vergangenen Jahren massenweise aus der Armee ausgeschieden waren.
Neue Altersgrenzen
Die Altersgrenzen für russische Offiziere sind unmittelbar mit ihrem Rang verbunden. Laut dem neuen Gesetzentwurf könnten bzw. dürften Oberstleutnante und Fregattenkapitäne höchstens 50 Jahre alt sein, Oberste und Kapitäne zur See 55 Jahre, Generalmajore, Konteradmiräle, Generalleutnante und Vizeadmiräle 60 Jahre, Marschälle, Armeegeneräle, Flotteadmiräle, Generaloberste und Admiräle 65 Jahre, erläuterte der Pressedienst des Verteidigungsministeriums.
Im Vergleich zur aktuellen Richtlinie, die im Sinne des Gesetzes Nr. 53 vom Jahr 1998 gilt, soll die Altersgrenze um fünf Jahre erhöht werden. Dabei wurde hervorgehoben, dass sie mit den aktuellen Altersgrenzen für Beamte und Mitarbeiter des Innenministeriums übereinstimmen würden.
Die Idee des neuen Gesetzentwurfs bestehe darin, „dass Militärs mit Kriegs- und Verwaltungserfahrungen weiter ihren Dienst leisten“, heißt es in der Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums. Diese These muss aber ausführlich dargestellt werden.
Umfassende „Optimierung“
Auf den ersten Blick ist die neue Initiative der Militärbehörde nicht nur alt, sondern auch inkonsequent, wenn man die Reformen der letzten Jahre bedenkt.
Die radikale Kürzung des Offiziersbestands im Sinne der Reform von Serdjukow (Verteidigungsminister) und Makarow (Generalstabschef) von 365 000 im Herbst 2009 auf 150 000 war durch mehrere Umstände bedingt. Unter anderem musste das Missverhältnis zwischen der enorm großen Zahl von hochrangigen Offizieren einerseits und dem Mangel an Unteroffizieren andererseits aufgehoben werden.
In diesem Sinne war das Gesetz Nr. 53 hilfreich, das jetzt aber novelliert werden soll. Derzeit werden die Verträge der Oberoffiziere aufgelöst, sobald diese eine gewisse Altersgrenze erreichen, es sei denn der Oberste Befehlshaber, sprich Präsident, höchstpersönlich verfügt über ihre Verlängerung.
Von dieser Reform waren viele hochrangige Kritiker, darunter im Generalstab, betroffen. Es kam sogar vor, dass nicht nur einzelne Personen oder Abteilungen gehen mussten, sondern ganze Verwaltungen im Zentralapparat, die ihren jungen und unerfahrenen Nachfolgern einen Berg von Arbeit hinterließen.
Auch viele Militärforscher wurden wegreformiert, weshalb immer weniger Experten an der Beschlussfassung des Verteidigungsministeriums beteiligt sind.
Besonders schwere Folgen hatte die Reform für die Stabsstrukturen, wo es zu viele Oberoffiziere gab.
Ein Mangel der Reform bestand darin, dass die Kürzungspläne unpräzise waren und einzelne Abteilungen und Dienste einfach wegrationalisiert wurden, obwohl sie weiter gebraucht wurden. Auf diese Weise mussten nicht nur hochrangige und nutzlose „Statthalter“, sondern auch viele Profis den Platz räumen, die dennoch sehr gefragt waren.
Manchmal kehren sie zurück
Der Generalstab scheint diese Misere jedoch begriffen zu haben. Zunächst wurden die Offiziersstellen im Februar des Vorjahres um 70 000 erhöht. Damals wurde das mit dem Bedarf der ins Leben gerufenen Weltraumabwehrtruppen begründet.
Wozu aber die neue Waffengattung eine so große Zahl von Offizieren brauchte, so dass die Zahl der Offiziere in der gesamten Armee plötzlich um die Hälfte anstieg, wurde nicht erklärt. Dass wichtige Experten, die die Armee noch nicht verlassen haben, gehalten werden mussten, lag auf der Hand.
Im Februar berichtete die Zeitung "Kommersant" unter Berufung auf Quellen, dass das Verteidigungsministerium etwa 4000 entlassene Oberoffiziere (Generäle und Admiräle) als Berater wieder anheuern könnte. Das könnte aber bedeuten, dass jeder in Dienst stehende General bzw. Admiral bis zu fünf Berater um sich schart.
Trotz dieser widersprüchlichen Zahlenspiele kann festgestellt werden, dass der Trend dahin geht, erfahrene Kommandeure, Stabsbeamte und Militärforscher in die Armee zurückzuholen.
Dazu passt auch die jüngste Initiative zur Erhöhung der Altersgrenze für Offiziere.
Fragwürdig ist nur, ob das Verteidigungsministerium und der Generalstab zu einem Dialog mit den wenigen Kritikern der Militärreform bereit sind, die von der umfassenden „Optimierung“ nicht berührt worden sind. Und inwieweit die Erfahrungen der entlassenen Generäle gefragt sein könnten, die jetzt als Experten zum Umbau der Armee zurückgeholt werden.