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Dieses Thema hat 2 Antworten
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 Aufklärungskompanie
Erik_Graue Offline



Beiträge: 32
Punkte: 46

23.07.2013 09:21
RE: AklK: "Weilo" und die Obstplantage Antworten

Als StKTA der AklK war Mitte der 1970-er Jahre Oberleutnant Weißflog tätig, damals sicher schon Anfang 40, für uns jungen Kerle also bereits ein „alter Mann“.
Bei den Offizieren und BU’s im ganzen Regiment sowie in der Ikp war Oltn. Weißflog eigentlich nur unter dem Spitznamen „Weilo“ bekannt.
Er hatte keine Offiziersschule besucht, war viele Jahre als BU im technischen Bereich tätig und wurde dann irgendwann Anfang der 70-er Jahre auf Grund seiner langjährigen Dienstzeit und des allgemeinen Offiziersmangels auch ohne Besuch einer Offiziersschule zum Unterleutnant ernannt (in späteren Jahren gab es solche Möglichkeiten nicht mehr).

Ein preußischer „Bilderbuchsoldat“ war er nun sicher nicht, schon sein Erscheinungsbild, na ja. Mit Stiefelhosen, damals die gängige Dienstbekleidung im Regiment (Hose lang nannten wir intern „Kriegsdienstverweigerungshose“ und trugen die höchstens mal bei Kontrollen der Kompanie an Wochenenden oder Feiertagen) sah es jedes Mal so aus, als ob er nicht in Stiefeln, sondern in Melkeimern stehen würde.
Auch seine Dienstbluse bzw. Jacke sah häufig auch nicht mehr ganz taufrisch aus, wie das bei engagierten Technikern halt so ist: Da wühlt man bei Notwendigkeit kurzfristig auch mal im Motorraum rum, ohne immer gleich eine Schwarzkombi parat zu haben.
Und ein begadeter Techniker war er, zumindest was die Theorie und die Menschenführung betraf, sicher auch nicht. Aber er konnte halt auf Grund seiner langen Erfahrung unheimlich gut improvisieren. Dies und seine guten Beziehungen zur Ikp waren ein Garant dafür, dass der KTE der AklK eigentlich immer den strengen Vorgaben entsprach, auch wenn sich hin und wieder mal ein LG-Fahrzeug der AklK bei der VNP-Vorkontrolle eine „5“ einfing.

Insgesamt war er ein „guter Kerl“, der uns junge und anfangs sehr unerfahrene Leutnants, auch und gerade im Zusammenhang mit unseren funktionellen Pflichten als Zugführer an der Technik, nie in die Pfanne gehauen hat.

Die nachfolgende „Heldentat“ von Weilo habe ich nicht selbst miterlebt, sondern kenne sie nur aus den Erzählungen von unserem Hauptfeldwebel, StOF Rüdiger Breitenbach, der uns Zugführern in den wenigen Kaffeepausen so manchen Schwank aus seiner langen Dienstzeit als Spieß der AklK und vorher als Chef der Regulierer der Stabskompanie erzählt hat. Nun saß Rüdiger Breitenbach zwar der Schalk im Nacken und seine Erzählungen waren sicher auch immer etwas ausgeschmückt – einen wahren Kern hatten sie aber sicher.

Schon zu DDR-Zeiten war das Dorf Ringleben, auf halben Wege zwischen BFH und Artern, beim Durchfahren eine Augenweide mit gepflegte Häuser und Vorgärten, sauberen Grünanlagen im Dorfzentrum, vorbildlichen sozialen Einrichtungen usw., Ringleben war quasi ein, zumindest im Bezirk Halle, bekanntes Musterdorf mit zahlreichen staatlichen Ehrentiteln und Auszeichnun-gen.

Der großer Initiator und Organisator all dieser Aktivitäten in Ringleben war damals nach meiner Erinnerung ein Mann namens „Klemm-Lorenz“, keine Ahnung mehr, ob er nun der Bürgermeister, Pateisekretär oder wohl doch eher der LPG-Vorsitzende dort war. Denn für solche Erfolge brauchte man Geld, viel Geld und vor allem Baumaterial, auch außerhalb der staatlichen Bilanzierung und Zuteilung, und das hatten wirtschaftlich top geführte LPG’s meist im Überfluss.

Zwischen dem MSR-16 und dem Ort Ringleben gab es recht enge Beziehungen, realisiert und umgesetzt wurden sie häufig auf der Stabschef-Linie über und mit der AklK, Dorf und Regiment halfen sich gegenseitig bei bestimmten Problemen und Sicherstellungsaufgaben.
So verbrachte ich z.B. Anfang Juni 1977 mein erstes Wochenende im Truppenpraktikum in Bad Frankenhausen als Offiziersschüler des 3. Studienjahres auf einer Festwiese in Udersleben, wo das zentrale Dorffest des Gemeindeverbandes Ringleben stattfand und ich stundenlang bei brütender Hitze von Stand zu Stand hetzte, um die Soldaten der AklK, die dort überall verstreut als Helfer zur Standbetreuung eingesetzt waren (Luftgewehrschießen, Ballwerfen, Losbuden, Kegelanlage u.ä.), am verbotenen Biertrinken und „Rummachen mit den Mädels“ zu hindern - übrigens ein ähnlich sinnloser Kampf wie seinerzeit von Don Quichotte gegen die Windmühlen.

Selbst der heutige Bürgermeister von Ringleben, Lutz Fensterer, diente 1977/78 als Soldat im GWD und Militärkraftfahrer/Spießschreiber in der AklK des MSR-16 – schon ein kleines Wunder, wenn man sich an die sonstige Einberufungspraxis der NVA erinnert, Heimatnähe war da definitiv kein Kriterium, aber der lange Arm von Klemm-Lorenz reichte halt auch bis zum WKK Artern.
Insofern war das alte DDR-Sprichwort „Auch im Sozialismus schaden Beziehungen nur dem, der keine hat“ wohl doch nicht aus der Luft gegriffen ...

Irgendwann um die Jahre 75/76 hatte besagter Klemm-Lorenz mal wieder eine Bitte an „seine Aufklärer“. In seinem privaten großen Obstgarten (Streuobstwiese), von der Dimensionierung her schon mehr eine kleine Plantage, mussten diverse alte, knorrige und kaum noch Ertrag bringende Obstbäume mit möglichst geringem Aufwand entfernt werden. Und da fiel ihm wohl die schwere Technik der NVA ein.
Er rief also den Stabschef an und bat um schnelle Hilfe bei der Rodung dieser Bäume samt Stubben, die er, zur deutlichen und eindeutigen Unterscheidung zu den verbleibenden Exemplaren, mit breiten weißen Ringen aus Schlämmkreide am Stamm markiert hatte.
Diese Bitte landete dann als Befehl auf dem Dienstweg StKSC - OOAkl bei uns in der AklK. Und dies war im konkreten Fall auch kein Problem und kein Mehraufwand, denn am folgenden Tage sollte unter Leitung der TA, Oltn. „Weilo“ Weißflog, sowieso eine gerade durch die Ikp reparier-ter SPW 40 P2 zur Kiesgrube nach Esperstedt überführt werden, um dort die Wasserdichtprobe für die bevorstehende Wasserfahrausbildung nachzuholen.
Folglich erhielt Weilo die Weisung des KC, auf der Rückfahrt von Esperstedt kurz einen Abstecher zur besagten Obstplantage zu machen und alle mit einem weißen Ring gekennzeichneten Obstbäume samt Stubben mit dem SPW aus der Erde zu ziehen.

Und so geschah es auch am folgenden Tage, Weilo verließ mit dem SPW 40P2 samt Besatzung am Morgen das Objekt Richtung Esperstedt und meldete nach Rückkehr um die Mittagszeit beim KC Vollzug über die erfolgreiche Dichtprobe und die Baumrodung.

Kurz vor Dienstschluss erschien dann im Eilschritt ein wutschnaubender OOAKl und im Dienstzimmer von Weilo setzte nachfolgend sofort ein lautstarkes Gebrüll ein.

Man ahnt, was passiert war! Weilo hatte die ja eigentlich eindeutige Weisung vergessen oder besser verwechselt. Die von Klemm-Lorenz zum Roden mit einem weißen Ring markierten Bäume ließ er allesamt stehen, alle anderen, unmarkierten Bäume aber, die ja eigentlich weiter gute Früchte tragen sollten, waren samt Wurzel mit dem SPW aus dem Boden gerissen worden! Die freundschaftlichen Beziehungen des Regiments zu Ringleben haben darunter aber nicht nachhaltig gelitten, nur Weilo soll sich wohl eine ganze Weile nicht mehr in Ringleben gezeigt haben.

Soviel zur Frage, warum ab Mitte der 70-er Jahren die Versorgungslage mit Obst in der DDR immer angespannter wurde ... na klar, „Weilo“ war schuld!


Bernd_650 Offline

* * * * große Sterne


Beiträge: 1.738
Punkte: 19.476

23.07.2013 19:58
#2 RE: AklK: "Weilo" und die Obstplantage Antworten

Hallo Erik,

Deine Zeitzeugenberichte gefallen mir.

Da ich seit 1999 "zugezogener" in Ringleben/KYF bin hatte ich gut zu schmunzeln zur Patenschaftsbeziehung.

Herr Klemm-Lorentz war Kooperationsvorsitzender(Planze-/ Tierproduktion).

Der aktuelle Bürgermeister ist mir gut bekannt auch als Hobbyortschronist.

Eine Episode zu meiner ersten offiziellen Teilnahme als Stellvertreter des K-MSR zum Empfang

der "Freunde" und Patenbetriebe anläßlich der Feierlichkeiten zum 7. Oktober 1987.
(dito für 1.März-Feierlichkeiten)

Zum Empfang wechselten sich der K-MSR mit 3 Stellvertretern/PA oder ZPL-Sekretär und der SC in gleicher Besetzung ab.

Die erste Runde der Begrüßung mit Wodka/Sekt habe ich gut überstanden, danach war Selters angesagt... .

Aufgefallen ist mir der Betriebsleiter "ehemals Schadeberg" in Bad F. Herbert Schiffner bis 1.März 1990,

da er immer mit die "Stühle" hochgestellt hat.

Herbert Schiffner war der vorletzte Bürgermeister in Ringleben und durfte Schwiergervater meiner Tochter werden.

Weitermachen!

Bernd

[ Editiert von Bernd_650 am 23.07.13 20:05 ]

Zukunft braucht Tradition


Erik_Graue Offline



Beiträge: 32
Punkte: 46

24.07.2013 10:28
#3 RE: AklK: "Weilo" und die Obstplantage Antworten

Hallo Bernd,

ja, wirklich, Ringleben ist schon zu DDR-Zeiten in’s Auge gesprungen, das war schon auffällig. Wenn man mich damals so alle 4 Wochen für ein kurzes WE mal nach Hause (MD) gelassen hat, bin ich da immer mit dem Bus Richtung Bahnhof Artern durchgekommen, eigenes Auto war für die meisten jungen Offiziere ja ein Fremdwort, die Trabi-Anmeldung war eh meist erst als Major fällig.

Und ich hab mir im Stillen manchmal gedacht: Mein Gott, warum können bei uns nicht alle Dörfer (und Städte) so aussehen“?

Lutz Fensterer aus Ringleben war schon ein Typ, sicher auch kein Bilderbuchsoldat nach dem Willen der PHV, aber seine Sache hat er schon vernünftig durchgezogen. Wobei er, wie alle MKF/Spießschreiber, natürlich eine besondere Rolle in der Kompanie gespielt hat. Es gab sicher deutlich stressigerere Dienstposten für einen Soldaten im GWD - und dann auch nur 6 km bis nach Hause ...
Wenn ich als Leutnant bei einer Komplexausbildung auf dem TAG Seega mal wieder gerade durch den Dreck gekrochen bin und den Gefr. Fensterer wohlgenährt, ausgeruht und in sauberer Dienstuniform mit dem URAL angeschaukelt kommen sah, um z.B. die Verpflegung zu bringen, da hätte ich so manches mal ...

Muss mal nachdenken, zum StKTA „Weilo“ fallen mir bestimmt auch noch 1 oder 2 andere Storys ein.

Beste Grüße - Erik


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