Das Zeitalter des Roboterkriegs hat begonnen - auch für die Bundeswehr
Westliche Armeen setzen in Kriegsgebieten schon jetzt massenhaft unbemannte Drohnen ein. Mal begleiten die »fliegenden Augen« Soldaten, mal töten sie selbst. Die Forschung arbeitet an autonom entscheidenden Kampfmaschinen. Politisch kontrolliert wird diese Entwicklung nicht.
Umstrittene Kamfdrohne
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Es klingt nach Science Fiction, wenn von »Militärrobotern« die Rede ist. Doch der Einsatz unbemannter, ferngesteuerter Maschinen ist für westliche Armeen bereits Alltag. Militärroboter leihen ihre Kameraaugen der Aufklärung. Und sie töten, so im pakistanischen Nord-Waziristan, nahe der afghanischen Grenze. Dort erlebte Daud Khan, wie sein Sohn durch eine Kampfdrohne umkam. Taliban waren in sein Haus gekommen. Am nächsten Tag folgte der Drohnenangriff.
Was Daud Khan 2010 widerfuhr, erzählt die Medienwissenschaftlerin Jutta Weber in dem Buch »Kriegsmaschinen«. Ließ schon George Bush im »War on Terror« Drohnen fliegen, werden sie heute unter Barack Obama massenhaft eingesetzt. In Pakistan starben seit 2004 mehrere tausend Menschen durch Kampfdrohnen. Vor wenigen Tagen erst berichtete der »Spiegel«, dass ein deutscher Islamist in Waziristan durch eine Drohne getötet worden sei.
Der Anteil ziviler Opfer wird je nach politischem Standpunkt anders errechnet, Einzelfälle sind es keinesfalls. Weber zufolge erhöhen Drohnen das Risiko für Zivilpersonen: »Militante«, wie Taliban oder Aufständische neuerdings oft genannt werden, sind optisch meist kaum von Zivilisten zu unterscheiden. Drohnen senken die Schwelle zum Krieg, denn sie sind kostengünstig, auch politisch. Weil man sie aus der Ferne kontrolliert, werden die eigenen Soldaten geschont. US-Bodentruppen gibt es in Pakistan mit Ausnahme weniger Spezialkräfte nicht.
Ralf Siemens vom Internetportal bundeswehr-monitoring.de erläutert die militärische Sichtweise so: »Wenn man für die strategische Fernaufklärung bemannte Flugzeuge um den Erdball schickt, hat man immer das Risiko von Notlandungen und Gefangennahmen. Geht hingegen eine unbemannte Drohne verloren, regt das in der Bevölkerung niemanden auf.« Auch die Bundeswehr verfügt über Drohnen sowie über unbemannte Fahrzeuge zum Auffinden von Sprengladungen. 331 Drohnen hat das Heer in Deutschland stationiert, darunter 128 Mikrodrohnen vom Typ »Mikado«. Diese ein Kilogramm leichten Quadrokopter dienen der taktischen Aufklärung im unmittelbaren Nahbereich, also im Gefecht. 70 Drohnen besitzt die Bundeswehr in Afghanistan. Kampfdrohnen sind darunter (noch) nicht. Eine Beschaffung unbemannter bewaffneter Systeme in der Zukunft sei nicht ausgeschlossen, erklärte die Bundesregierung Mitte April in einer Kleinen Anfrage. Genauere Informationen über die »mittelfristige Fähigkeitsentwicklung unbemannter Systeme der Luftwaffe, des Heeres und der Marine« bis 2025 sind als »VS - Nur für den Dienstgebrauch« eingestuft und damit nicht öffentlich zugänglich. Gegenüber dem Bundestag hatte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, jedoch im Dezember mitgeteilt, dass die Bundeswehr die Beschaffung eines Drohnen-Waffensystems ab 2019 plane. Es handle sich um die Kopplung einer deutschen Aufklärungsdrohne KZO mit der israelischen Kampfdrohne »Harop«.
Die militärische Forschung ist längst weiter. Der englische Stadtsoziologe Stephen Graham berichtet in dem Sammelband über den Übergang zu einer »netzwerkzentrierten Kriegführung« mit luft- und weltraumgestützter Überwachung. Um den Krieg in unübersichtlichen Mega-Städten zu trainieren, wird er simuliert. Speziell das US-Militär entwickele Planspiele, für die ganze Stadtteile vermessen und gescannt werden, bis hin zur Einrichtung der Gebäude und zur unterirdischen Infrastruktur, zu Gesichtern und Fahrzeugkennzeichen. Wo einzelne Drohnen nicht genug Daten liefern, tun es Schwärme vernetzter Mikro- und Nanosensoren. In einem Echtzeit-Überwachungsnetzwerk sollen sie erfassen, welche Abläufe »normal« sind und welche auf Unregelmäßigkeiten, Aufstände vielleicht, deuten. Motivierend für solche Allmachtsträume seien die katastrophalen Erfahrungen der US-Bodentruppen im Irak.
Die Zeit drängt: Unbemannte, mit »intelligenter« Munition bewaffnete Fluggeräte sind Graham zufolge bereits im Entwurfsstadium. Auch Hans-Arthur Marsiske, Herausgeber des Bandes über Militärroboter, betont: »Wir sind auf dem Weg zu Kampfmaschinen, die autonom entscheiden, in einem logischen Endpunkt auch über den Einsatz tödlicher Waffen. Ich will, dass die Gesellschaft darüber redet.« Dafür hält er ein Forschungsmoratorium für sinnvoll, um auf politischer Ebene zu Entscheidungen zu kommen. Das Fenster für eine multilaterale Kontrolle unbemannter Waffensysteme beginnt sich bereits zu schließen.